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Einstweilige Verfügung wegen Nachtragsvergütung im VOB/B-Vertrag: Angebot erforderlich!

  • Autorenbild: RA Jörg Bach
    RA Jörg Bach
  • vor 13 Minuten
  • 4 Min. Lesezeit

Ein alltäglicher Fall auf der Baustelle: Der AN, der einen streitigen Nachtrag ausgeführt hat, macht seine Vergütung mittels einer Abschlagsrechnung geltend. Der AG, der davon ausgeht, dass kein Nachtrag vorliegt, sondern die Leistungen bereits im ursprünglichen Bausoll enthalten sind, verweigert die Zahlung der Abschlagsrechnung, fordert den AN jedoch auf, seine weiteren Leistungen zu erbringen. Die Situation ist für den AN problematisch. Führt er weiter seine Leistungen aus, so besteht die Gefahr, dass er "noch weiterem Geld nachlaufen muss“. Führt er, unter Berufung auf die verweigerte Zahlung der Abschlagsrechnung, seine Leistungen nicht weiter aus, und beruft er sich insoweit auf ein Leistungsverweigerungsrecht, so besteht die Gefahr, dass der AG den Bauvertrag wegen der Leistungsverweigerung des AN außerordentlich kündigt und diesem gegenüber sodann Ersatzvornahmekosten geltend macht. In diesen Fällen kommt es zu einer regelrechten Eskalation der Baustelle.


Um diese Situation zugunsten des AN zu entschärfen, hat der Gesetzgeber im Rahmen des zum 01.01.2018 in Kraft getretenen neuen Bauvertragsrechts in § 650d BGB geregelt, dass der Auftragnehmer eines Bauvertrages nach Beginn der Bauausführung den Erlass einer einstweiligen Zahlungsverfügung über 80% der in einem Angebot ausgewiesenen Nachtragsvergütung (§ 650c Abs. 3 BGB) erwirken kann, wenn Streit über diese Nachtragsvergütung besteht, die auf eine Anordnung des Auftraggebers gemäß § 650b BGB zurückgeht. Zum 01.01.2018 wurde nämlich mit § 650b BGB erstmals ein Anordnungsrecht des Auftraggebers in einem BGB-Bauvertrag geschaffen. Vor dem 01.01.2018 kannte das BGB kein Anordnungsrecht von Nachträgen, wie dies die VOB/B in § 2 Abs. 5, 6 vorsieht.


In diesem Zusammenhang hatte das Kammergericht mit Urteil vom 02.03.2021 (21 U 1098/20) auch entschieden, dass § 650d BGB, der die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach Baubeginn eröffnet, auch auf solche Bauverträge Anwendung findet, denen die VOB/B zugrunde liegt.


Problematisch ist dabei, dass das Vergütungsrecht der VOB/B bei der Anordnung von Nachträgen an geringere Voraussetzungen anknüpt, als das BGB. Geht es nämlich um die Ausführung einer Leistung, die im Vertrag nicht vorgesehen ist, so muss der AN dem AG vor Ausführung lediglich anzeigen, dass Mehrkosten enstehen (§ 2 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB). Demgegenüber ist der AN im Rahmen eine BGB-Vertrages verpflichtet, dem AG nicht nur die Mehrkosten anzuzeigen, sondern ein konkretes Angebot zu erstellen (§ 650b Abs. 1 S. 2 BGB).


Was gilt aber nun, wenn im Rahmen eines VOB/B-Vertrages der AN unter Berufung auf § 650d BGB, der nun auch beim VOB/B-Vertrag gilt, im Wege der einstweiligen Verfügung vom AG 80% einer streitigen Nachtragsvergütung verlangt? Reicht es dann aus, wenn der AN lediglich vorher Mehrkosten angekündigt hat, wie dies die VOB/B verlangt, oder musst der AN dem AG vorher ein konkretes Angebot unterbreitet haben, wie dies das BGB vorsieht?


Diese unklare Rechtslage hat das OLG Celle mit Urteil vom 14.05.2025 (14 U 238/24) geklärt.


In dem vom OLG Celle entschiedenen Fall machte der AN bei einem VOB/B-Vertrag eine Nachtragsposition in Höhe von rund 450.000,00 € geltend für die Erkundung, Sicherung und Verfüllung eines ehemaligen Stollensystems. Ein konkretes Angebot wurde vom AN nicht vorgelegt. Vielmehr bot dieser im Rahmen eines Nachtrages die Ausführung der Position an "auf Nachweis zuzüglich der Zuschläge gemäß Urkalkulation". Der AG verweigerte die Zahlung, weil er der Auffassung war, dass es sich um eine bloße Nebenleistung handelt. Daraufhin begehrt der AN im Wege der einstweiligen Verfügung die Zahlung von 80 % seiner abgerechneten Vergütung gemäß § 650d BGB i.V.m. § 650c Abs. 3 BGB.


Jedoch ohne Erfolg. Nach Auffassung des OLG Celle fehle es an einem Angebot entsprechend § 650 Abs. 1 BGB als Grundlage zur Berechnung der 80 %-Regelung. Zwar sei § 650c Abs. 3 BGB grundsätzlich auch im VOB/B Vertrag anwendbar, wodurch dem Auftragnehmer die Möglichkeit eröffnet werde, im Streitfalle über das Bestehen einer Nachtragsvergütung auch im VOB/B-Vertrag eine einstweilige Verfügung zu beantragen. In diesem Falle müssten jedoch gleichwohl die Voraussetzungen der BGB-Regelungen, insbesondere des § 650b Abs. 1 S. 2 BGB, eingehalten werden. Denn nur so könne die geltend gemachten 80 % der Vergütung ordnungsgemäß berechnet und geprüft werden.


Fazit:

Die Möglichkeit, zugunsten des Auftragnehmers bei Streitigkeiten über das Bestehen einer Nachtragsvergütung auch im VOB/B-Vertrag eine einstweilige Verfügung beantragen zu können, ist generell ein tolles Mittel, um zu verhindern, dass der Auftragnehmer, der grundsätzlich eine Anordnung auszuführen hat, immer weiter in Vorleistung gehen muss, wohl wissend, dass er später um sein Geld streiten wird. Allerdings müssen die formalen Voraussetzungen der BGB-Regelungen beachtet werden. Zeichnet sich also bereits ab, dass es Streit um die Berechtigung des Nachtrags geben wird, so sollte der Auftragnehmer vor Ausführung seiner Leistung nicht lediglich Mehrkosten anzeigen, wie dies § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B vorsieht. Vielmehr sollte er vorsorglich ein detailliertes und konkretes Angebot erstellen und dem Auftraggeber zukommen lassen, um sich die Möglichkeit zu eröffnen, 80 % seiner kalkuliertem Nachtragsvergütung im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend machen zu können.


Zum Autor:

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Rechtsanwalt Jörg Bach ist Gründer und Partner der BauConsult Rechtsanwälte PartmbB. Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen, Planerbüros und WEG-Verwaltungen bei der Durchsetzung ihrer Rechte.

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